„Paps? Ist es okay, wenn ich den Rest des Tages mit meinen Freunden abhänge? Weißt du. Auch mir schlägt das alles ein bisschen auf die Nieren und sie wollen mich da jetzt etwas ablenken.“
„Natürlich. Warum denn auch nicht? Ich komme schon klar. Joshi und Emilio wollten eh vorbeikommen. Alles gut. Es tut mir ja auch leid, was so alles passiert ist. Ihr sollt nicht drunter leiden. Das ist mein Problem.“
Aber so ganz stimmt der Satz ja nicht. Bevor ich abhaue, muss ich ihn dann doch nochmal korrigieren:
„Danke. Ich bleibe auch nicht allzu lange weg und wenn was ist, dann sag bitte Bescheid. Bin ja nur im Mc Creek. Und auch wenn du denkst, dass es nur dein Problem ist, musst du wissen, dass es uns alle was angeht. Sie ist meine Mam und mir tut das auch weh. Sehr sogar.“
Paps weiß nicht, dass ich das ganze Gespräch mitbekommen hatte vorhin. Auch wenn sie sich noch so eine Mühe gegeben haben und leise sprechen wollten, kam dieser Plan nicht auf.
„Alles klar. Dir dann viel Spaß und bring mir was mit.“
„Geht klar.“
Puh, ich muss ganz schön düsen. Wurde doch etwas später. Katharina ist auch dort und da möchte ich ihr nicht schon wieder so einen vorstinken.
Als ich ankomme, sind auch schon alle da. Wir belagern irgendwie den ganzen Mc Creek.
„Hey, da ist leider schon reserviert. Kannst du dich bitte dort vorn dann mit hinsetzen?“
Eigentlich auch wieder wahr. Warum setze ich mich eigentlich so weit weg? Meine Gedanken kreisen überallhin, doch so ganz im Hier und Jetzt komme ich selbst noch nicht an. Ich hoffe, dass es eine gute Idee war, hierherzukommen. Wäre doof, wenn ich jetzt total verpeilt wäre und so.
Und so bestellen wir uns alle was. Nett, dass sie gewartet haben. Außer ein „Hi“ bringe ich aber noch nicht mehr hervor. Aber trotzdem ist es eine coole Aktion von allen. Ich freue mich schon wieder sehr auf Montag, wenn die Schule wieder losgeht. Das hat mir dann doch ein bisschen gefehlt.
Zwischendurch mache ich mir dann doch mal Gedanken, ob ich nicht lieber wieder nach Hause soll. Wenn Paps da jetzt so allein ist, kommen doch erst recht die ganzen Gedanken hoch. Ich weiß ja nicht, wann meine Brüder vorbeikommen wollen. Als ich Paps eine SMS schreibe, kommt aber, dass alles gut ist. Michelle hält ihn gerade ordentlich auf Trab. Wunderbar.
Also wird bestellt.
„Einen doppelten Chrispy Creek bitte.“
Hm. Oh. Natürlich. Katharina ist doch auch hier. Ich habe sie noch gar nicht begrüßt. Huch?! Hmpf. Nicht dass sie jetzt denkt, dass ich nichts mehr von ihr wissen will. Ich bin so durcheinander. Ich lächle ihr zu. Hoffe, sie versteht das.
Und sie hat wieder ihr Lipgloss drauf. Als ich sie das eine Mal geküsst hatte, da ist der voll bei mir kleben geblieben. Warum muss sowas immer nach Erdbeere schmecken?
Tja. Und dann schaut mich Raina immer so an. Keine Ahnung, warum, aber ich habe das Gefühl, dass sie nicht darüber hinwegkommt, dass ich mit Katharina zusammen bin. Da muss sie aber durch. Und so schaut sie mich an und ich fühle mich langsam immer unwohler. Eh schon geknickt von den ganzen Vorfällen, frage ich mich langsam wirklich, ob es heute überhaupt was bringt?
Aber ich stelle gleich klar, dass meine Süße direkt hinter mir ist. Möchte heute keinen Stress irgendwie. Ich dachte immerhin, dass Raina eine gute Freundin wäre. Selbst Alexandra hat es einigermaßen hinbekommen, darüber hinwegzukommen.
„Hey, sorry. Bin bisschen durch'n Wind. Hey.“
Und dabei zeige ich ihr mein schönstes Lächeln. Hoffe ich zumindest.
Unser Essen kommt schließlich dann auch. Soll richtig gut hier sein. Keine Ahnung. Normal gehe ich hier nicht hin. Aber einmal kann man ja eine Ausnahme machen. Boah. Und dann Raina wieder. Warum macht sie das jetzt? Schaut sie Katharina gerade giftig an? Ne, ich denke nicht. Warum auch? Das ist doch Kinderkacke. Habe auch keine Lust, da heute drüber nachzudenken. Möchte nur meinen Burger essen und dann irgendwie auf andere Gedanken kommen. Bin eh noch am Überlegen, ob das heute gut war, dass ich Mam zu uns geholt habe oder nicht. Habe es nur gut gemeint. Wusste ja nicht, dass sie gleich so einen Brocken vor unsere Füße schmeißt.
Ich bin so wütend auf Mam. Ich hasse sie. Nein. Ich hasse sie nicht, aber ich bin enttäuscht. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll. Und dann bekomme ich mit, wie Raina meiner Freundin solche Blicke zuwirft. Warum?
Wo ist das denn bitte jetzt Ablenkung? Gibt es hier etwa gleich Zickenkrieg?
Hm. Ich esse jetzt einfach auf und dann verschwinde ich wieder. So wirklich Stimmung kommt hier eh nicht auf. Fühle mich gerade etwas fehl am Platz. Oder bilde ich mir das nur ein? Keiner redet großartig mit mir. Warum nicht?
Nur Alex versucht etwas die Stimmung anzuheben.
„Hey, wisst ihr, was? Ich war letztens im Fitnessstudio und habe Frau Paulsen gesehen. Wusstet ihr, dass sie sich unten rasiert? Hihi.“
Oh ja. Na klar. Alex und ihre sinnlosen Kommentare. Sie kann nichts für sich behalten. Wenn sie wüsste, haha.
Und dann diese Familie wieder. Der Junge von ihnen geht bei uns auf die Schule. Wrobles oder Robles, wie die heißen. Sie sollen total crazy sein. Habe da schon so einiges in der Schule gehört.
Sie machen auf dem Jahrmarkt immer voll die verrückten Sachen. Malen Klohäuschen an und besprühen diesen mit Rosenduft. Warum bitte? Das ist ja nicht mal alles.
Pink ist die Farbe des perfekten Stuhlgangs, oder wie? Hey, aber ich muss kurz lachen. Das tut gut.
Langsam lockert sich die Stimmung dann aber doch bei uns. Wir unterhalten uns immer mehr und es geht Richtung Praktikum. Ich hoffe ja, dass wir den Rest dann auch noch nachholen. Gut, ich weiß nicht, wie es dann bei mir aussehen wird, wenn Paps wohl erstmal verhindert ist. Trotzdem hoffe ich, dass er bald weitermachen kann.
Und auch ich taue langsam auf und fange an, mit den anderen zu sprechen. Wir wollen uns so mal treffen und abhängen. Auch cool. Bin ich dabei. Schade nur, dass Herbst ist. Es soll einen großen Teich geben, wo man gut schwimmen kann. Das wäre das Richtige für mich.
Es wird dann schließlich auch Zeit, meine Freundin richtig zu begrüßen. Mit mir ist einfach nichts los. Alle meinen es gut und dann das.
„Hey. Sorry, nochmal. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht ignorieren oder so.“
„Alles gut.“
Dann riecht sie auch wieder so gut. Sie scheint auf Kirschen und Erdbeeren zu stehen. Irgendwie riecht sie da immer nach. So nach Kirschblüten. Krass. Und na ja. Schmeckt eben nach Erdbeere.
„Du siehst gut aus und ähm.“
Soll ich ihr jetzt sagen, dass ich gleich schmelze und so? Ich bin halt etwas schüchtern. Warum nicht? Habe ja mal versucht, ihr einen Brief.... Ach ne. Die Geschichte kennen wir ja. Man sollte als Junge nie seine Gedanken aufschreiben. Das endet nicht gut. Man neigt dann ganz schnell dazu, zu übertreiben.
Und schließlich unterhalte ich mich dann auch ein bisschen mit Svenja. Zumindest versuche ich es. Mein Kopf ist Matsch. Ich versuche ja immer, an irgendwas anderes zu denken, aber mir geht immer durch den Kopf, dass Mam einen anderen hat. In diesem Moment kommt dann einfach nichts mehr.
„Hey, du. Ähm. Montag dann wieder Schule. Cool, oder?“
Kurz springt der Motor an und ich versuche normal zu denken und dann bumm, alles wieder vorbei. Das scheint wohl auch Max zu bemerken. Er spricht mich an:
„Hey, wenn was ist, dann meld dich ruhig. Ich komme gern vorbei oder wir können auch mal zusammen abhängen, wenn du willst. Alles kein Ding. Dafür sind Freunde doch da, oder nicht?“
Wenn ich bedenke, wie ich in der neuen Schule gestartet bin, ist das jetzt eine ordentliche Wendung. Ja, es ist schön, Freunde zu haben. Max und ich, wir verstehen uns wirklich bombe. Wir haben sogar den gleichen Musikgeschmack und er zockt auch gern so Spiele, die ich zocke. Richtig cool.
„Ich hab´ jetzt das Spiel angefangen, was du mir vorgeschlagen hast. Kampf der Killerameisen. Voll das krasse Game, aber macht Spaß.“
„Cool, ja. Aber du musst aufpassen, dass du nicht von den Giftbomben getroffen wirst. Dann bist du instant down.“
In dem Moment sehe ich Emilio durch die Tür kommen.
Er sagt mir, dass er gleich mit Naomi zu Paps möchte und sie ihm nen Burger mitbringen. Cool. Auch nett.
„Alter, ey. Mam braucht einfach nur eine kalte Dusche und dann ist die Frau wieder fit. Macht dich ja echt fertig, der Mist.“
Wenn er wüsste, was ich weiß. Aber ich lasse es. Nicht hier.
„Komm jetzt erstmal her, kleiner Bruder. Du guckst echt, als ob Mam gestorben wäre oder so. Hör mal auf, so zu gucken. Nicht, dass du mich damit noch ansteckst, Alter. Mann, die kommt schon wieder und wenn, dann schiebe ich sie höchstpersönlich zu euch nach Hause.“
Er und seine Sprüche wieder. Aber gucke ich wirklich so? Ich versuche meinen Kummer ja immer etwas zu verbergen, aber schaffe ich wohl nicht. Hmpf.
„Und denk dran, du kleiner Scheißer. Wir ziehen noch um die Häuser. So 'nen Männerabend, verstehst? Auf Brautschau muss ich mit dir ja nicht mehr gehen. Also, was sagst, Alter?“
„Äh, ja. Äh. Na klar. Männerabend. Cool. Warum nicht?“
„Ja, geil. Wird voll fett. Glaub ma.“
Dann schaut Emilio mich wieder nur so an. Hmpf. Okay. Ich versuche, zu grinsen.
„Soll ich morgen mal rumkommen? Oder hast was vor?“
„Äh, was vor? Ich? Ne. Glaub nicht. Denke ich.“
„Cool. Können dann ja auch mal wieder ne Runde pokern oder so. Wäre auch mal wieder geil.“
„Äh, ja ja. Cool.“
„Und ich glaub´, deine Perle ist draußen grade etwas angepisst. Würd das mal klären. Habt doch hoffentlich auch nicht noch Stress, oder? Sonst klär’ ich das auch noch.“
Ich schaue nach draußen und sehe, dass Katharina dort rumsteht. Mit gesenktem Kopf. Ich glaube, jetzt muss ich mich doch wirklich mal zusammenreißen. Es darf heute nicht alles so ein Desaster sein. Natürlich verabschiede ich mich noch von Emilio. Er wollte dann eh langsam rüber. Sonst wird Paps sein Burger noch kalt.
Also gehe ich raus und spreche sie sofort an.
„Habe ich was falsch gemacht? Es tut mir leid, wenn ich im Moment etwas neben der Spur bin. Wird bald besser. Versprochen.“
„Nein, das ist es nicht. Aber kannst du mir mal bitte sagen, was das jetzt von Raina soll? Sie tut so, als hätte ich dich ihr weggeschnappt. Und dann schaust du sie auch noch so an und lächelst. Du hast sie eben mehr angeschaut, als mich.“
Das Problem gerade ist, dass sie recht hat. Sie hat total recht. Hat sie doch, oder? Hmpf. Ich habe Raina doch gar nicht angeschaut. Oder? Hä? Habe ich?
Na toll. Ich habe heute total keinen Kopf für sowas und dann stehe ich auch nur noch da und grinse blöd. Es kommt einfach nichts. Mein Kopf ist leer. Richtig leer.
„Ähm, hehe. Ich. Ich habe sie doch nicht angeschaut. Ich habe doch selbst bemerkt, wie sie mich mit ihren Blicken immer so auszieht. Meinst du, mir gefällt das? Weil. Weil du bist das Mädchen, in das ich mich verliebt habe, okay? Und ähm. Ich. Nun ja.“
Schließlich gehe ich dann auf sie zu und nehme ihre Hände. Sie sind total warm. Jetzt oder nie muss ich mal was richtig machen. Weil - ich bin wirklich verknallt in sie. Habe es nur leider viel zu spät bemerkt. Dieser Zettel. Einfach nur süß. Und sie saß die ganze Zeit hinter mir. Aber jetzt lasse ich sie nie wieder gehen.
„Hör zu. Ich habe es nicht nötig, anderen Mädels hinterherzuschauen und ich werde auch mal mit Raina reden. Wäre wohl besser. Aber ich habe im Moment auch noch so viel zu verarbeiten. Tut mir leid, wenn ich das heute alles total verbockt habe.“
Und schließlich kann ich nicht anders, als sie zu küssen. Langsam angehen lassen hin oder her. Nicht jetzt. Nicht heute. Morgen vielleicht dann wieder.
„Huch?! Hihi.“
Und nun habe ich sie mal sprachlos gemacht. Aber das war noch nicht alles.
So nehme ich sie in den Arm und flüstere ihr ins Ohr:
„Ich habe dir noch nie so wirklich gesagt, dass ich dich liebe und das möchte ich jetzt einfach mal tun. Ganz ehrlich.“
„Nur hör bitte dann aber auch auf zu denken, dass ich anderen Mädchen hinterherschaue, okay? Das ist uncool. Okay, puh. Jetzt ist es raus.“
Und so lasse ich Katharina stehen. Sie ist so baff, dass sie gerade gar nichts mehr weiß. Ich verabschiede mich bei den anderen und gehe nach Hause. Einerseits mit einem richtigen Flattern im Bauch, aber auf der anderen Seite mit einem mulmigen Gefühl. Ich vermisse Mam so sehr.