Folge 66 - Wenn das Fass überläuft
- Kucki 232
- 6. Juni 2023
- 4 Min. Lesezeit

Es ist bereits halb sechs morgens, als ich nach Hause komme. Hätte nie gedacht, dass ich überhaupt mal so lange irgendwo bin. Aber es war lustig und ich muss gestehen, dass ich Frau Steinberg ein wenig attraktiv finde. Doch solche Gedanken muss ich erstmal zur Seite schieben. Zu viel anderes Chaos wartet auf mich. Außerdem bin ich müde und so richtig klar im Kopf bin ich auch noch nicht. Keine Ahnung, ob das jetzt der Alkohol war oder ich wirklich endlich mal auftaue.
Ich schließe die Tür auf und sehe Emily. Toll. Will sie mir jetzt eine Standpauke halten oder was?

Da kann ich jetzt nicht drauf. Ich will einfach nur ins Bett.

„Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Bist du bescheuert? Du kannst mich mit Michelle doch nicht einfach allein hier lassen. Spinnst du? Auch du hast Verantwortung.“
Da wird jemand aber so richtig laut.

Ich wiederum versuche, ruhig zu bleiben. Was will sie von mir? Ich kann tun und lassen, was ich will. Und als wenn sie hier von Verantwortung reden könnte. Oh, man.

Es nervt mich echt, wie sie immer Gründe sucht, um irgendwie ihren Frust an mir auszulassen.
„Ach, weißt du was? Mir sind die Kinder eh egal. Wenn ich schon Emilio sehe. Was will der überhaupt von mir? Ich habe ihm nichts getan. Behandelt man so eine Mutter?“
Jetzt will sie es aber wissen. Ich muss irgendwie nur darüber schmunzeln.

„Willst du es genau wissen? Ich hatte heute das erste Mal in meinem Leben Spaß. Wenn ich so darüber nachdenke, konnte ich nie mit dir über irgendwas lachen. Immer warst du am Meckern. Und ich habe eine nette Frau kennengelernt.“

Schließlich werde auch ich dann lauter.
„Aber was habe ich gehört? Du willst eh nach Tartosa ziehen, weil du deine Ruhe haben willst? Was man nicht so alles hört. Einfach verblüffend. Echt jetzt, Emily? Was ist mit dir passiert? Ich lag dir zu Füßen und habe stets mein Bestes versucht. Aber du kommst nur noch mit Vorwürfen. Wow.“

„Was soll das denn jetzt? Wer hat das erzählt? Und wenn, dann ist es doch mein Problem, oder nicht? Und warum triffst du dich überhaupt mit anderen Frauen? Warum riechst du nach Alkohol?“

Emily lässt wirklich ihren Frust an mir aus. Irgendwas steckt ganz tief in ihrer Seele. Das war schon immer so. Es schlummert etwas in ihr. Sie hat mir immer die Schuld gegeben, dass wir kein richtiges Ehepaar-Leben führen würden, aber Emily war auf einer anderen Seite auch nicht besser. Ich wollte immer mit der Familie etwas unternehmen. Wollte immer da sein. Doch meine Exfrau war jedes Mal verschlossen. Warum? Ich habe es nie erfahren. Eine Medaille hat immer zwei Seiten.
„Was hast du überhaupt mit Joel gemacht? Hast du mal gesehen, wie er aussieht? Er wäre deinetwegen fast gestorben. Du bist so verantwortungslos, weißt du das?“

Schließlich reicht es mir. Ich habe versucht, Emily nicht irgendwie unnötig mit Lügen in den Dreck zu ziehen, aber sie tut es immer wieder. Es reicht!!
„Was redest du da? Hmm? Du sagst immer, dass ja mein Job so gefährlich ist und ich uns alle nochmal ins Grab bringen würde. Ich eine Gefahr für die Kinder wäre. Aber es hatte KEINE Situation mit meinem Job zu tun. Es hat mit UNSERER Familie zu tun, die irgendjemand auseinanderbringen will. Siehst du. Sogar mit Erfolg, weil du immer mehr Salz in die Wunde streust. Ich habe sogar versucht, mit dir eine Lösung zu suchen. Mit dir zusammenzuarbeiten.“

„Ich habe jedoch ABSOLUT KEINE Lust mehr. Wenn du deine Ruhe haben willst, dann geh. Geh einfach. Zieh nach Tartosa. Ich komme mit den Kindern auch wunderbar ohne dich aus und Michelle muss diesen ganzen Dreck nie mitbekommen. Ich kann das einfach nicht mehr und ich möchte dich auch langsam nie wieder sehen.“

Dann atme ich wieder einmal tief durch und versuche runterzukommen. Ich bin eh zu müde, um so richtig loszulegen. Nein, eigentlich will ich das auch gar nicht. Jetzt nicht mehr.

„Ich möchte, dass du jetzt gehst. Und wenn es sein muss, dann sorge ich auch dafür, dass du die Kinder nicht weiter ertragen brauchst. Oh, man. Ich habe so viel gehört. Du musst einfach mal aufpassen, wem du was erzählst, Emily. Ich habe es für Joel getan, dass du erstmal hierbleiben kannst. Aber hey, weiß er das schon? Hmm?“

„Aber. Wo hast du das her? Wer hat das erzählt?“

Und da ist sie so richtig kleinlaut. Als würde Alex mich anlügen. Alex hat viele Kontakte und da er in unserem Fall ermittelt, sickert so vieles durch. In der Hinsicht muss ich Karl danken.
„Ähm. Marc. Ich. Das sollte doch gar nicht so rüberkommen. Ich bin so durcheinander im Moment. Ich. Hmpf.“

„Geh jetzt. Dir stehen alle Wege offen, ein schönes Leben ohne Kinder zu haben. Du hast doch eh immer gesagt, dass man dich zuhause festhält und du nie rauskommst. Na dann. Auf geht’s in die freie Welt. Nur erwarte nicht, dass die Kinder sich freuen werden.“
Emily ist jetzt so richtig sprachlos. Da habe ich wohl einen Punkt erwischt, mit dem sie nie gerechnet hätte, dass es zu mir kommt. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, herauszufinden, warum sie sich so komisch verhält. Es muss einen Grund geben und ich habe immer mehr das Gefühl, dass es abseits unserer Familie ist. Aber um bei uns noch etwas zu retten, ist es zu spät.

Und so geht Emily sprachlos durch die Tür, nachdem sie ihre Sachen gepackt hat.

Wir hatten anfangs noch eine sehr schöne Zeit zusammen. Mit 17 bin ich bereits zu ihr gezogen. Ihre Familie wohnte noch in Sulani. Ihr Vater Jeremy und ihre Mutter Nadja haben mich bei sich aufgenommen, nachdem meine Eltern verstorben waren. Die Zeit war noch sehr schön, aber irgendwann veränderte Emily sich immer mehr. Sie suchte in anderen Dingen einen Buhmann. Ich habe stets versucht, bei ihr zu sein. Wollte ihr Halt geben und ihr alle Türen öffnen. Sie sollte nie aufgeben. Doch nach dem Tod ihrer Eltern wurde sie immer verschlossener. Komischerweise wurde es nach Joels Geburt noch schlimmer.
„Paps? Was ist denn hier los? Was ist passiert?“

Joel schaut mich total verschlafen an. Der Junge muss sich noch viel ausruhen. Es tut mir leid, was gerade passiert ist, aber ich hoffe jetzt auch, dass hier endlich mal Ruhe einkehrt.

„Und warum riechst du nach Alkohol? Warst du bis eben weg?“

Mir fehlen gerade total die Worte.

„Lass uns erstmal wieder ins Bett. Immerhin ist Wochenende. Insofern Michelle nichts dagegen hat. Wir reden nachher, okay?“

„Und tut mir leid, dass es lauter wurde. Das wollte ich nicht.“
Joel nickt nur und schließlich verschwinden wir in unseren Zimmern.

Comments