Folge 72 - Nur ein dämliches Tattoo
- Kucki 232
- 14. Juni 2023
- 4 Min. Lesezeit

Ich rechne es Katharina sehr an, dass sie die letzten Tage bei mir war. Aber irgendwann fragte ich mich, warum sie eigentlich bei mir ist? Auf jeden Fall nicht mehr, weil ich verletzt bin. Zumindest habe ich das Gefühl. Sie steht ständig mit irgendwelchen neuen Büchern vor der Tür und will mir, ach was weiß ich was, erzählen. Es reicht mir langsam. Knapp zwei Monate sind wir jetzt zusammen und was ich jetzt mit ihr erlebe, geht einfach zu weit.
Sie folgt mir auf Schritt und Tritt. Nein, nicht, um mich zu umarmen, sondern .... Wie soll ich das beschreiben? Was bin ich? Ihr Gott? Ihr Meister? Es klingt doof, aber es ist wirklich so. Schön, dass sie immer noch meinen Pullover trägt, aber das verliert langsam immer mehr an Bedeutung für mich.
Und das möchte ich Katharina langsam zu spüren geben.

Sie kommt mir ständig hinterher und ich fange an, es zu ignorieren. Vor ein paar Tagen sah die Welt noch ganz anders aus. Als wir da so Arm in Arm schliefen. Es war wunderbar. Und jetzt?

Bleibe ich stehen, bleibt sie stehen. Gehe ich weiter, geht sie auch weiter. Warum, verdammt?

Sagt sie was, dann falle ich ihr ins Wort. Es scheint sie langsam das schlechte Gewissen zu plagen. Mich interessiert es nicht. Wirklich nicht. Es mag sein, dass da was dran ist, aber Mam hat mir früher viele Geschichten erzählt. Vom magischen Reich. Erst waren es Märchen, doch vielleicht war es eine Warnung? Ich weiß es nicht. Doch sie meinte immer, dass alles mal begraben werden muss. Selbst wenn es die Vergangenheit ist.

Jetzt reicht es mir. Tagelang höre ich mir was von der weißen und schwarzen Magie an. Prophezeiungen und irgendwelchen Toren. Verdrehte Welten. Nein, es reicht echt.
Ich drehe mich um und wir schauen uns an. Sie ist so verdammt schön. Lieb. Küssen kann sie auch, obwohl ich gar nicht weiß, was das überhaupt bedeuten soll. Jeder sagt das so. Du küsst gut. Wie will man sowas feststellen, wenn man nie einen Freund hatte? Was ist denn dann schlecht küssen? Ach, egal.

Und manchmal habe ich sogar mittlerweile Angst, dass sie jedem von ihrer Entdeckung erzählt. Plötzlich fangen dann die Leute an, Eier gegen die Wände zu schmeißen oder vor der Tür zu beten, oder was?
„Was soll das Ganze eigentlich, Katharina? Was bin ich jetzt nur noch für dich? Seitdem du dieses blöde Tattoo gesehen hast, frage ich mich, ob ich noch Joel für dich bin.“

„Mein Kirchen-Club wartet halt schon lange auf dich. Also, auf den Hüter der Magie. Ist es denn so schlimm, dass du etwas Besonderes bist?“
Da ist es schon wieder. Genau das meine ich.

„Wenn du es wirklich bist, dann kann man endlich Frieden mit den Magiern schließen, verstehst du? Es gibt so viele Sims da draußen, die sonst was mit dir machen würden, wenn sie wüssten, dass du es bist. Und wir möchten dich beschützen.“

„Hör zu. Ich bin Joel Duvan und kein Hüter der Magie oder Magiermeister oder was auch immer. Ich esse genau wie du, gehe zur Schule wie du. Muss mir meine Haare kämmen und habe ab und an Pickel im Gesicht. Mir wachsen Haare im Gesicht und an anderen Stellen. Also lass mich langsam bitte in Ruhe mit diesem Kram. Wenn es so sein sollte, dann ist es besser, wenn die Magie da bleibt, wo sie ist. Meinst du nicht auch?“

„Und wenn es dein Schicksal ist, Frieden zu bringen?“
„Wir haben doch Frieden. Oder kam irgendwie in den letzten Tagen ein Feuerball vom Himmel, hmm?“

Ich liebe dieses Mädchen immer noch sehr, aber mein Herz tut immer mehr weh. Anstatt, dass wir mal zusammen einen Film anschauen, blättert sie in ihren Büchern rum. Und das seit Tagen. Doch wenn ich sie so anschaue, da könnte ich heulen.

Ein normales Gespräch ist nur leider kaum möglich. Ich brauche im Moment jemanden, der für mich da ist. Der mir zur Seite steht. Freunde. Eine starke Hand. Aber stattdessen hört man immer absurdere Dinge.
„Ich möchte, dass du deine ganzen Bücher nimmst und gehst. Wir haben wunderbaren Frieden auf dieser Welt und bevor hier irgendwas in die Welt hinausposaunt wird, möchte ich lieber damit nichts zu tun haben wollen. Ich bitte dich auch, mit den anderen nicht über diesen Schwachsinn zu reden. Würdest du mir das wirklich antun wollen?“

„Du willst, dass ich gehe? Aber Joel.“

Maaaan, wie sie schaut. Hmpf. Nein, das kann es doch jetzt nicht gewesen sein. Ich kann sie nicht so einfach gehen lassen. Aber es nervt halt.

Hmpf.

Doch ich muss stark bleiben. Liebt sie mich überhaupt noch? Ich weiß nicht, aber es hat sich so verändert alles. Plötzlich war ich irgendwie nur noch ein Versuchsobjekt. Sie grabbelte nur noch an mir rum und betätschelte mein Tattoo. Ich glaube, ich lasse das blöde Ding wegmachen. Damit will ich nichts zu tun haben. Mein Leben ist mir einfach zu wertvoll.
Katharina schaut mich nur noch sprachlos an, bis sie dann bei mir im Zimmer die ganzen Bücher rausholt. Und den ganzen Stapel im Wohnzimmer. Sie zieht sich ihre Jacke über und es gibt nicht mal einen Kuss. Nichts.

Eine Weile bleibe ich noch regungslos im Flur stehen.
„Alles okay, Joel?“
Ich zucke zusammen.

„Redet bitte miteinander. Es kann nicht sein, dass jetzt gerade noch mehr auseinanderbricht, okay? Bitte. Machst du das?“

„Nein, alles gut, Paps. Es ist alles in Ordnung. Das musste mal sein. Es reichte. Sie nervt damit, okay? Sie liebt mich bestimmt nicht mehr und so.“
Ja, jetzt versuche ich verzweifelt Stärke zu zeigen.

Das hält jedoch nicht lange.
„Du hast recht. Ich werde mit ihr reden. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es so ja auch besser. Wir müssen uns um andere Sachen kümmern.“
Ich falle ihm in die Arme.

Danach möchte ich erstmal allein sein und nachdenken.

Ich liebe Katharina.
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