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  • Kucki 232

Kapitel 138 - Euch kenne ich doch


 

Paps hatte mich vorhin angerufen und er erzählte mir was Witziges. Klar, ich schlage mich hier mit der Magie rum und er wird von den Frauen belagert, haha. Aber so bekam ich auch mal gute Laune. Er meinte dann auch, dass er morgen zu diesem Fest gehen möchte. Einfach, um mal auf andere Gedanken zu kommen. Ich denke, ich wäre da eh nicht hingegangen.

Ich schaffe es langsam, mich unter Kontrolle zu bekommen. Auch wenn Kucki keine Macht mehr hat, ist sie Gold wert. Und ........

Woah. Was ist das denn jetzt? Diese Situation kommt mir so bekannt vor, aber irgendwie ist sie mir trotzdem fremd. Das ist doch Jeremy. Mein Opa. Aber ....

Wieder werde ich in meine Gedanken und Erinnerungen geschleudert. Immer mehr habe ich das Gefühl, dass sie vertrauter wirken. Als ob ich weiß, was da passiert. Warum kenne ich diese beiden? Onkel Phillip und Tante Aurora.

Wo seid ihr alle?

Warum erinnere ich mich daran? Ich habe dort doch noch gar nicht gelebt? Mam und Paps. Sie waren 17. Warum weiß ich das?

Aber nicht hier. Irgendwo anders. Ich verstehe das nicht. Ich höre ihre Stimmen. Auch Hintergrundgeräusche werden immer klarer. Meeresrauschen. Einfach alles.

Komme ich wirklich aus einer anderen Dimension? Ist das hier gar nicht meine Welt? Stimmt das, was Kucki sagt? Aber was ist mit den anderen? Sind sie alle tot? Meine restliche Familie? Ich spüre, dass ich eine große Familie hatte. Viele Geschwister. Cousinen und Cousins.

Paps ist hier mit Mam nach Brindleton Bay gezogen. Okay?! Wir haben in Brindleton Bay gewohnt? Sie waren so jung.

Mam hatte alles versucht. Doch diese Realität war anders. Ich spüre es. Ich weiß es. Hier ist alles verdreht.

Es ist so, als würde ich durch Mams Augen sehen. Ihre Gefühle und Erinnerungen erleben.

Über Generationen hinweg haben wir uns aufgebaut. Der Nachfolger des Zepters hatte eine Aufgabe: Die Magie zu beschützen. Immer wieder wollte man uns Steine in den Weg legen. Uns vernichten.

Bis es keine Chance mehr gab und viele Generationen ein Ende fanden.

Immer mehr Hoffnungslosigkeit stieg auf. Selbst in der anderen Dimension. Trauer und Schmerz.

Aber was hat das zu bedeuten, dass ich das jetzt alles sehe? Warum ist die Erinnerung an die andere Dimension so stark? Ist sie vielleicht doch gar nicht verschwunden? Es muss doch einen Grund geben.

Ich komme langsam zu mir und bemerke, dass Kucki bei mir ist.

„Kucki, warum werden die Erinnerungen zur anderen Dimension immer stärker? Ich fühle es, als wäre ich dabei gewesen.“

„Ich erinner’ mich plötzlich an so viel von dort.“

„Okay? Echt? Nur, ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, weiß ich noch nicht. Hm.“

„Hör zu. Lass uns mal wieder nach unten. Meditiere ein bisschen. Vielleicht kannst du so noch mehr empfangen. Und es hilft dir außerdem, ruhig zu bleiben.“

Meditation ist eigentlich absolut nicht mein Ding, aber Kucki hat recht. Es beruhigt mich sehr.

Also gehen wir nach unten, nachdem ich mich umgezogen habe. Keine Ahnung, was jetzt kommt.

Wir beiden sind irgendwie bedrückt. Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll. Ich fühle es, dass Kucki bedrückt ist und ich ziehe automatisch mit. Warum fühle ich, was sie fühlt? Was geht hier vor sich? Ich stehe da und schaue sie an. Was denkt sie nur?

Also versuchen wir es. Wortlos setze ich mich auf das Kissen und halte Daumen und Zeigefinger zusammen. Kucki fängt wieder an, in einem ruhigen und langsamen Ton zu sprechen.

„Du bist wieder auf dieser Wiese. Unter dem Baum. Der Baum raschelt und du spürst den Wind in deinem Gesicht.“

„Erinnere dich an alte Tage, als du im Sand gespielt hast. Als du einen Schneemann gebaut hast. Wo bist du da gerade?“

„Ich weiß es nicht. Ich sehe nichts.“

Sosehr ich mich auch konzentrieren möchte, sehe ich keine Bilder. Vorhin waren sie doch auch plötzlich da. Ganz unerwartet.

„Stelle dir vor, wie du mit deiner Hand durch Strandsand fährst. Oder durch Schnee. Spürst du die Wärme sowie die Kälte?“

„Nein.“

Kucki versucht mich mit ihren Worten tiefer in meine Gedanken zu ziehen, doch es klappt nicht.

„Du schwimmst im Meer. Du riechst die salzige Luft. Kristallklares Wasser und Fische kitzeln an deinen Füßen.“

Doch plötzlich spüre ich Hass und Wut. Tod und Verzweiflung. Schmerz. Alles in einem Gefühl. Ich schreie laut.

Ich verliere das Gleichgewicht und falle zur Seite. So gerade eben kann ich mich noch halten. Ich komme wieder zu mir und mein Herz pocht wie wild. Tränen steigen auf. So etwas habe ich noch nie gefühlt. Was geschieht hier?

„Joel, was ist los? Alles in Ordnung?“

Ich überlege noch, ob ich überhaupt im Hier und Jetzt bin.

„Äh. Ich. Ich weiß nicht.“

„Was hast du gesehen?“

„Äh. Keine Ahnung. Eher gespürt. So viel Wut. Was war das?“

Plötzlich rennt Kucki nach oben ins Wohnzimmer. Als ich aufstehe, schwanke ich. Ich muss mich an der Wand abstützen. Aber was ist jetzt mit Kucki?

Nach kurzer Zeit schaffe ich es, nach oben zu gehen. Immer noch recht irritiert.

Ich setze mich neben sie und sehe, dass sie noch erstarrter ist, als vorher. Warum fühlt sich gerade alles so an, wie auf meinen Bildern? Als wäre ich mit meinen Gedanken zwischen zwei Dimensionen. Nein, mit meinem Körper. Geräusche hören sich an, als würden sie klirren. Weit weg sein. Als wäre diese Welt nicht real.

Doch irgendwann schüttle ich nur mit dem Kopf. Möchte wieder zu mir kommen. Woah. Als wäre ich auf irgendeinem Trip oder so.

„Kucki, was war das? Sag es mir. Warum bist du hochgerannt? Was ist los?“

„Ich habe es danach auch gespürt, okay? Und es fühlte sich traurig an. Wie das Fegefeuer. Die Hölle. Was auch immer. Gruselig. Was soll ich jetzt machen, hmm? Wenn wir schon so etwas fühlen, dann ist das gar nicht gut.“

Sie schaut mich jetzt auch total gläsern an. Aber warum spürt sie das nun auch? Sie ist doch gar keine Ahnin mehr.

„Ich habe Angst, Joel. Ich hatte nie so eine Angst, wie jetzt.“

„Ich muss rausfinden, was das war. Herrje. Ich muss so viel rausfinden. Es fühlte sich gerade so kalt an. Leer. Und ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Ich habe versucht, zu zaubern. Es geht nicht. Und jetzt fühle ich das, was du fühlst? Trotzdem bin ich so schwach.“

Ihre Worte berühren mich gerade sehr. Ich habe sie ja jetzt auch ein bisschen kennengelernt, aber so habe ich sie noch nicht erlebt.

Ich gehe erstmal in mein Zimmer und versuche das zu verarbeiten. Immer mehr werde ich in sowas reingerissen. Versuche zu lernen und zu verstehen. Aber heute habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie viel da eigentlich hintersteckt. Und was vor allen Dingen.

Aber dann überkommt mich kurz dieses Gefühl, dass ich nicht allein bin. Bruchstücke von Geborgenheit.

Und das fühlt sich gut an.

Auch wenn das eben ein hartes Stück war: Ich mache weiter. Denn ich bin nicht allein und ich merke immer mehr, wie stark meine Familie eigentlich ist.

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