Kapitel 154 - Wo ist sie eigentlich?
- Kucki 232
- 6. Okt. 2023
- 8 Min. Lesezeit

Um 16 Uhr muss ich dann in Copperdale sein. Einmal noch dorthin. Zwar nicht mehr mit dem Schulbus, aber dann eben normal. Das ist okay. Nein. Vielleicht bestehe ich ja auch gar nicht und muss dann doch wieder zur Schule? Nur dann nicht mehr in diese. Obwohl ich es gerne wollte.
Als ich so an der Schule ankomme, ist niemand mehr dort. Schon habe ich plötzlich die Bilder vor Augen, wo alle aus den Bussen stürmen. Na egal. Ich will es nur hinter mich bringen.

Habe noch viel geübt. Herr Müller schickte mir da was zu. Kenne ich aber alles noch. Kein Problem. Okay, nur Geschichte. Hm. War nie so mein Fach. Muss man sowas denn als Detektiv können? Ich denke nicht.
Als ich in die große Halle komme, denke ich wieder an dieses große Gewusel hier immer. Jeder hatte seinen Weg - ob sie sich kreuzten oder nicht.

Ich gehe zielstrebig zu meinem Schrank. Als hätte ich einen normalen Schultag. Jacke ausziehen und Bücher rausholen. Hinter einem gingen andere Schüler lang, die einem mit einem „Hi“ begrüßten.

Vor dem Büro des Direktors warte ich eine Weile. Er ist nicht drin.

Als ich ihn schließlich sichte, springe ich sofort auf. Bis hierhin war ich noch nicht wirklich nervös, aber dann plötzlich geht es los. Meine Hände fangen an zu schwitzen und ich habe Angst, alles wieder zu vergessen. Oh, nein. Das darf jetzt einfach nicht passieren.
Und wenn ich doch alles vermasseln sollte, dann wiederhole ich in der Dorfschule von Chestnut das dreizehnte Jahr. Doch will ich das auch?

„Hallo Joel. Schön dich wiederzusehen. Ich hoffe, es geht dir besser. Es freut mich sehr, dass du meiner Empfehlung nachgegangen bist. Deine Zukunft liegt ganz woanders. Nicht mehr auf der Schulbank.“

„Bist du denn bereit? Können wir anfangen?“
„Äh, ich denke ja.“

Schade. Wir gehen nicht in meine Klasse. Vielleicht ist das aber auch besser. Nein, ich darf jetzt nicht an Katharina denken. Bloß nicht.

„Die Prüfung dauert ca. zwei Stunden. Was zu schreiben und einen Schmierzettel stelle ich dir zur Verfügung.“
Uff, jetzt geht es so richtig los.Verdammt. Wie war das noch? Nein, ganz cool. Nicht schlappmachen jetzt.

„Und wenn du es dir doch nochmal anders überlegen solltest, dann ist es okay. Nur, ich lege sehr viel auf dich. Das haben wir nicht oft, dass jemand das Zeug dazu hat, seinen frühzeitigen Abschluss zu machen. Das hatten wir ähm, ähm. Vor sechs Jahren zuletzt. Es ist dann nur eben verlorene Zeit für mich, weißt du? Muss eigentlich noch im Garten was machen. Ach egal. Bist du bereit?“

Als ich nicke, wühlt der Direktor in seiner Tasche rum und gibt mir einen ordentlichen Stapel an Papieren, so wie ein Buch.
„Lies dir das bitte vorher durch. In der Prüfung kommen dazu Fragen. Ich gehe noch kurz Pipi und dann bin ich schnell wieder da. Du lies dann solange.“

Na, das geht ja gut los. Eine Geschichte. Wunderbar. Und wenn ich mir den Stapel hier so angucke, frage ich mich, wie ich das in zwei Stunden schaffen soll?

Und so fange ich einfach an und lasse mich von nichts ablenken. Nicht jetzt.



Ich schreibe und lese, was das Zeug hält. Frage für Frage. Hundert sind es mindestens. Also gefühlt. Okay, einiges weiß ich nicht, aber ansonsten geht es eigentlich. Wusste ja selbst nicht mal, dass ich so viele Infos in mir aufsaugen kann. Ganz nützlich so als Detektiv. Analysieren und verbinden. Ganz wichtig.
Schließlich bin ich dann fertig. Die Sonne geht auch langsam unter. Hier in Copperdale ist es immer ein bisschen milder und die Sonne geht später unter. Sehr schön. Muss ich wenigstens nicht im Dunkeln zurück.
„Okay, ich bin fertig.“
Nervös gehe ich auf Herrn Müller zu.

Eineinhalb Stunden habe ich gebraucht. Also, mein Hintern ist platt.
„Sehr schön. Sehr schön. Dann zeig mal.“

Wie er mich anguckt, haha. Nein, ich will es jetzt einfach nur noch hinter mich bringen. Noch ein Jahr Schule oder darf ich mit Paps durchstarten?

„Ich schaue das alles durch und dann sage ich dir Bescheid. Einen Augenblick bitte noch.“

Die Zeit nutze ich und gehe noch etwas durch die leere Schule. Habe eh noch Hunger und schaue mal, ob der Automat noch was rausschmeißt. Denn jetzt ist auch die Zeit, in der ich wieder an Katharina denken kann. Jetzt habe ich Zeit, mich mit ihr auszusprechen. Alles von der Seele zu reden. Im Anschluss gehe ich dann noch zu ihr. Das macht mich wohl nervöser als diese Prüfung. Ich bin aber so froh, dass ich das kurz wegschieben konnte.
Und da ist sie: Unsere Bank.

Wenn unsere Liebe nur durch die Aura entstand: Was ist das denn bei mir? Ich vermisse sie so sehr. Denke an sie. Was fühle ich also? Alles nur Fake? Ich denke nicht.
Oh, Mann. Das war damals so verrückt. Wie konnte ich auch nur diesen Liebesbrief per E-Mail schreiben? Erinnert ihr euch? Ich habe mich gar nicht so richtig in die Schule getraut. Habe Katharina gestanden, dass sie schöne Brüste hat, aber hey - ich wollte das doch gar nicht abschicken, haha.

Und sie wusste das zu dem Zeitpunkt gar nicht. Dachte, es wäre nur Spam gewesen. Bis sie dann voll ausflippte.

Aber so fing eben alles an. Ich fand es eben süß, wo man jemanden ein Gedicht schreibt, wenn man so tut, als wäre schon der Abschlussball. Jeder sollte dem, mit dem man gerne gehen würde, ein Gedicht schreiben. Ich bekam, glaube ich, vier. Und darunter ebendieses süße Gedicht. Von Katharina.

Mist. Sie wusste gar nicht, dass ich das war. Hätte ich bloß nichts gesagt gehabt. Sie schubste mich und nannte mich Widerling und sowas. Aber hey. Das war trotzdem der Anfang von allem.

Ich glaube eben nicht daran, dass die Liebe nur Bestimmung ist. Dann erklärt mir doch, was ich fühle? Ist das echt nur Fake? Schwachsinn.
Egal. Erstmal was essen. Wenn mich denn meine Erinnerungen endlich mal loslassen würden. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass mein Leben nur aus diesen besteht. Meine Erinnerungen und andere. Ein Gehirn wie ein Computer. Gespeichert mit irgendwelchen Beiträgen. Endlosen Themen von überall her. Egal welche Dimension.

Hm. Auf dem Handy kam auch nichts. Dachte, es würde sich jemand freuen, dass ich hier bin? Okay, weiß ich ja Bescheid.

Und so vertreibe ich mir eben die Zeit. Stopfe einen Käsekuchen nach dem anderen in mich rein und klimper rum. Boah. Gleich wird es doch noch dunkel. Ne, da habe ich keine Lust drauf. Was braucht er denn solange?


Lalala.

Hmpf. Hier habe ich auch immer mit Katharina gesessen. Über jeden Mist hat man sich unterhalten.

„Herr Duvan? Kommen Sie einmal bitte mit? Ich möchte Ihnen die Ergebnisse mitteilen.“
Hä? Was denn bitte plötzlich so förmlich? Ih, ich hasse das.
Herr Müller steht an der Tür und hält sie mir offen. Wir gehen in die große Halle und er lächelt nur ganz breit.
„Ich habe mich wirklich nicht in Ihnen getäuscht, Herr Duvan.“

„Sie schienen zwar zwischendurch mal mit Ihren Gedanken woanders gewesen zu sein, aber Sie haben mit 89% bestanden. Herzlichen Glückwunsch.“

Jetzt muss ich doch mal breit grinsen. Glauben kann ich das jetzt nicht gerade so wirklich, aber hey: Ich habe bestanden. Nur hätte ich gerne den Abschlussball mitbekommen. Eben normal den Abschluss gemacht. So, wie es sich gehört. Aber trotzdem cool, dass ich mich dann jetzt wohl auf andere Dinge konzentrieren kann.
Es kommt gerade kein Wort raus.
„Ich wünsche Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute. Passen Sie auf sich auf und wenn Sie möchten, können Sie am Ende des Schuljahres gerne normal zum Abschlussball kommen. Das ist auch Ihre Feier.“

Ne, ich bin gerade wirklich sehr baff. Ich habe bestanden. Yeah. Ab nach Chestnut und das feiern. Okay, morgen dann, aber das muss gefeiert werden. Wenigstens dann ein bisschen. Als ich nämlich so nach draußen gehe, höre ich nur die Blätter auf der Straße wehen. Kein Empfangskomitee oder sowas. Nichts. So weiß ich ja jetzt, dass ich hier nichts mehr zu suchen habe. Alles klar. Weiß ich Bescheid.

Meine Stimmung ist gerade eh total gedrückt. Toll, ich habe bestanden, aber kann es nicht richtig feiern. Und dann die Gedanken, was mich jetzt bei Katharina erwarten wird. Ne, das ist doof.

Also auf geht's. Mal schauen, wann der Bus nach Willow Creek kommt. Vielleicht fahre ich dann heute schon nach Hause. Auch egal. Oder nein. Warum? Es gibt nichts Besseres, als mit seinem großen Bruder Unmengen an Pizzen zu verschlingen und dabei dummes Zeug zu labern. Das werde ich machen.

„Joel Duvan? Stehengeblieben! Du bist verhaftet, hihi.“
Ich zucke zusammen. Hmm?! Die Stimme kenne ich doch. Als ich mich umdrehe, sehe ich meine Freunde alle auf einem Haufen. Sie grinsen mich nur an und .... Hä? Wo kommen die denn jetzt her? Meine Laune schlägt schlagartig um. Wie cool. Echt.

„Raina. Hey.“
„Hey.“
„Wir lassen dich doch nicht einfach so gehen.“

Schließlich umarmt mich dann Svenja ganz dolle. Wow, sie kann ganz schön zudrücken.

„Also, Herr Müller sagte eben, dass du bestanden hast und jetzt haben wir nur den Sekt vergessen. Konfetti fehlt auch“, sagt Christopher und umarmt mich schließlich.
Jetzt bin ich doch so richtig gerührt. Erst versinke ich total in Zweifel und dann plötzlich sind alle hier und ..... Ich dachte, keiner würde mehr was von mir wissen wollen. Oder die Erinnerungen sind von vielen noch weg und sowas. Aber nein. Alle kennen mich.

Nur Alexandra will mich nicht umarmen. Okay, cool. Auch gut. Trotzdem schön, dass sie hier ist.
„Ich hoffe, es geht dir gut in Chestnut. Deine Kur scheint ja sehr toll zu sein.“
„Äh, Kur? Ja ja. Die ist toll.“

Und dann kommt Alex doch auf mich zu und umarmt mich.
„Sorry. Komm einfach her, hihi.“
Raina fragt:
„Stimmt das, dass du ganz nach Chestnut ziehst? Da soll das total cool sein mit Pferden und sowas. Hihi. Dann können wir doch mal vorbeikommen und auf einer Ranch übernachten. Deine Mutter hat uns voll die coolen Geschichten erzählt.“

Nur meine Stimmung verblasst gerade immer mehr, als ich in die Runde schaue. Alle sind da. Na ja fast. Warum sind Katharina und Max denn dann nicht hier? Wissen sie von nichts? Ich habe doch allen Bescheid gegeben?

Erst reden auch alle durcheinander, bis ich dann die Frage aller Fragen stelle:
„Wo ist sie eigentlich? Und wo ist Max?“
„Äh.“
Die anderen schauen sich an und wissen wohl gerade nicht, was sie sagen sollen. Aber durch mich strömen gerade die wildesten Geschichten.

„Na, sagt schon!“
„Äh.“

„Also, sie sind nicht hier, weil ....!“
Meine Augen werden immer größer und langsam breitet sich Wut aus. Nein, Moment. Noch versuche ich cool zu bleiben. Hmpf. Es bleibt beim Versuch. Was verschweigen sie mir? Auch wenn ich es mir langsam denken kann, aber ich will es einfach nur hören.
„Max ist mit Katharina zusammen. Sie .....!“
Die Stimmung ist nun so richtig kaputt. Mein bester Freund mit meiner großen Liebe? Echt jetzt?

Nein. Das reicht. Ich haue einfach ab. Braucht keiner sehen, dass mich das gerade mitnimmt. Ich und heulen? Niemals. Einfach weg hier.

„Joel, warte!“

Gerade bricht alles bei mir zusammen. Meine Hoffnung. Meine Liebe. Und da habe ich doch gerade so einen wunderbaren Abschluss hingezimmert. Warum mit diesem miesen Beigeschmack?
„Komm mal her, Joel. Du musst wissen, dass wir immer für dich da sind und wir uns wirklich freuen würden, wenn wir dich mal besuchen könnten. So eine Ranch ist bestimmt richtig cool. Max und Katharina haben sich sehr verändert. Selbst mit uns wollten sie nicht mehr wirklich viel zu tun haben. Aber wir sind für dich da und daran wird sich nie was ändern.“
Als ich mich wieder umdrehe, schauen mich alle nur nickend an. Ja, klar. Jetzt weiß ich doch, wer meine wahren Freunde sind, oder nicht? Ich sehe es doch jetzt. Und so gehe ich zu Svenja und umarme sie.
„Danke.“

Hätte nie gedacht, dass ich nun doch noch so viel zu verdauen hätte. Max und Katharina? Boah. Maaaaaaaann.
„Wir können uns ja mal im Sommer treffen und ordentlich einen draufmachen. Raina und ich machen gerade Führerschein, dann wäre das kein Problem.“

„Japps. Bin ich auch dafür. Ranchparty mit dem Pferd, hihi.“

So richtig höre ich jedoch nicht mehr zu, weil ich gerade einfach nur noch wegrennen könnte. Doch sehe ich meine Freunde auch nicht mehr so oft. Das ist gerade mies. Am liebsten würde ich jetzt noch mit ihnen um die Häuser ziehen oder sowas, aber das ist mir gerade so richtig vergangen. Ich möchte hier nur noch weg.
„Hört zu. Ich melde mich bei euch. Danke, dass ihr da wart und ich würde ja gerne jetzt nochmal mit euch ins Café oder so, aber ....“
„Nein, verstehe. Alles gut. Du weißt ja, wo du uns findest.“

Ich kann mich gerade auch nur umdrehen und schnell gehen. Verdammt. Komm schon, Joel. Verbring den Tag mit deinen Freunden. Wann kannst du das denn erst wieder? Komm schon.

Doch die Schritte werden immer und immer schneller. Die Tränen auch. Ich muss weg hier.

Eigentlich hätte ich es doch ahnen sollen, mit Katharina. Dass ich keine Hoffnung mehr haben brauche oder sowas. Ich habe es gefühlt. Trotzdem habe ich gehofft, dass alles nochmal wird.
Wir sehen uns, meine Freunde. Danke, dass ihr da wart.

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