Kapitel 109 - Ein Versuch ist es wert
- Kucki 232
- 6. Aug. 2023
- 5 Min. Lesezeit

Später essen wir zu Abend und ich freue mich immer noch sehr, dass Paps hier ist. Er möchte zwar nur bis Sonntag bleiben, aber das ist okay. Ihn brauche ich im Moment am meisten. Okay. Ja. Ich würde es auch ohne ihn schaffen, aber jetzt, wo er hier ist, fühle ich mich wieder motivierter. So blödeln wir einfach nur rum.

Lukas hat seitdem noch kein Wort gesagt. Er sagte mir mal, dass hier sein Rückzugsort wäre. Was auch immer das bedeutet. In dem Zimmer, wo ich schlafe, ist er sonst immer. Und so schlafen wir nun zusammen in einem wunderbaren Etagenbett. Wenn das nicht so quietschen würde, arghs.

Paps sagte vorhin zu mir, dass er ordentlich Ärger hatte. Er hätte sich mit Marco angelegt und das reichte ihm. Daher kam Jennys Vorschlag ganz gut, zu mir zu fahren. Wir haben nur Probleme in Willow Creek. So können wir alles mal kurz vergessen.

„Wie wäre es, wenn ihr hierherzieht? Weit ab von allem.“
Darauf schaue ich Frau Martinez einfach nur irritiert an und Paps muss lachen.
„Guter Witz.“

„Nein, das meine ich ernst. Ich würde eure Gesellschaft sehr genießen. Das Haus ist groß genug.“

Nur Lukas wird gerade sehr hellhörig.

Okay, schön ist es hier ja irgendwo und Paps hat recht, dass wir endlich mal alles vergessen könnten. Aber er hat da einen Job. Ich meine Schule. Und eben viele Probleme, die ich nicht einfach so abhaken möchte. Was ist mit Katharina? Meinen Freunden? Da habe ich doch schon genug angerichtet und hätte immer schlechtes Gewissen, wenn ich einfach so abhauen würde.
Ich habe hier nichts. Nein. Auf keinen Fall. Um etwas runterzukommen, ist das hier bestimmt toll, aber wenn ich ständig um 4 Uhr aufstehen müsste, wäre das uncool. Vielleicht möchte ich ja auch mal studieren oder sowas?
Trotzdem bemühe ich mich, mein Bestes zu geben. Da wäre ein Abwasch doch schon gut.

Man merkt auch, dass Jenny hier öfter ist oder gar aufgewachsen ist. Selbst Lukas findet sich in dem Haus gut zurecht.
Aber egal. Feierabend für heute. Boah, bin ich müde.

Kurz gehe ich noch etwas raus. Möchte etwas allein sein. Was ich im Moment komisch finde ist, dass es mir langsam egal mit Katharina ist. Gestern war ich noch total betrübt darüber, dass ich mich noch nicht gemeldet hatte. Und heute? Fragt mich nicht, was das ist. Ich liebe sie doch.

Vielleicht schreibe ich ihr ja was.

Ach, nö. Möchte mich jetzt nicht aufregen. Lieber genieße ich diese Stille hier. Hätte ja nie gedacht, dass ich mich zu sowas mal hinreißen lasse. Erst wollte ich wieder nach Hause.

Später schaue ich bei Candy vorbei. Der Junge ist am Rumflitzen wie ein Besengter. Vielleicht macht er sowas ja auch noch die ganze Nacht. Würde mich nicht wundern. Trotzdem traue ich mich nicht, ihn anzufassen. Nachher zwickt er mich oder so.

Dann sind da noch diese kleinen Ziegen und Schafe. Weiß nicht warum, aber die haben es mir angetan. Sie bleiben sogar so klein. Schon verrückt.

Kein Kommentar, haha. Schon cool.

Kacke will ich trotzdem nicht wegmachen müssen oder so. Oder den Stall saubermachen. Neeee, das ist absolut nicht meine Welt. Chillen könnte ich mir hier aber schon ganz gut vorstellen. So in den Sommerferien vielleicht. Aber wohnen? Nö. Gut, Frau Martinez meinte, dass sie allein lebt. Auf dem großen Hof? Wow. Da fehlt ihr bestimmt was.
Schaut euch trotzdem mal den Sonnenuntergang an.

Es wird langsam kalt. Ich gehe lieber rein. Klar, um Paps beim Knutschen zuzusehen. Das hat er selbst mit Mam nicht mal gemacht. Irgendwie ja traurig. Aber wenn er jetzt glücklich ist, dann bin auch ich glücklich.

Den Rest brauchen wir aber dann wohl nicht zu erfahren.

*****
Am nächsten Morgen gebe ich mir besonders viel Mühe. Ich möchte Paps zeigen, dass ich das schon packe und nicht aufgeben werde. Immerhin hatte ich seit gestern Abend keinen Wutanfall mehr. Ne, ganz im Gegenteil: Ich fühle mich echt gechillt.
Und ich schaffe es um 4:14 Uhr aufzustehen. Also so halb.

Klar. Isabelle schon voll dabei. Sie redet aber heute Morgen nicht viel, sondern stellt mir nur das Essen auf den Tisch. Oh, okay?

Jenny ist auch schon wach. Wenn sie schon hier ist, möchte sie immer mit anpacken, meinte sie mal.

„Und? Bist du Startklar, Joel? Wir können gern gleich bei den Pferden anfangen, wenn du magst.“

„Richtig gute Idee. Dann kann dir meine Tochter heute ein bisschen was zeigen. Sie kennst du ja und vielleicht fällt es dir leichter, was zu machen.“

Dazu sage ich nun nichts und nicke einfach nur. Ich war ja gestern eigentlich schon todmüde, aber heute wird das nochmal getoppt. Puh. Dann mache ich mich fix fertig und gehe schon mal raus. Vielleicht hilft mir die Kälte ja, wachzuwerden.
Und heute habe ich ausnahmsweise mal Bock. Auch wenn ich im Stehen schlafen könnte. Auf geht's. Isabelle hat mir ein paar Klamotten von ihrem Neffen gegeben, der einst mal auf der Ranch geholfen hatte. Bisschen klein, aber passt schon. Besser als das nachher meine anderen Klamotten stinken. Das wäre pervers.

Bei Candy bleibe ich stehen. Rennt er etwa immer noch rum oder schon wieder? Echt krass. Reiten würde ich aber nie auf so einem Pferd. Dann fahre ich lieber Fahrrad.


„Sind schöne Tiere, oder? Wollen wir dann?“
„Hm?!“

Jetzt habe ich doch etwas Schiss. Muss ich da wirklich rein? Plötzlich sehe ich ein kleines Fohlen. Wusste nicht, dass es hier noch ein Fohlen gibt.
„Das ist Taifun. Meine Mutter hatte ihn verwahrlost vorgefunden. Sie rettet Tiere in Not.“

„Komm, Joel! Ich muss Taifun füttern. Magst du mir dabei zuschauen? Vielleicht kannst du ihn dann auch bald füttern.“
Später bin ich fasziniert davon, wie Jenny mit den Tieren umgeht. Ich hätte nie gedacht, dass sie so ein Ranchsim ist. Als hätte sie nie was anderes gemacht.

„Und geh ruhig rüber zu Candy. Er tut dir nichts, versuch es mal. Er starrt dich schon die ganze Zeit an, hihi. Der Junge möchte von dir gestreichelt werden.“
„Äh, wirklich? Ich.“
„Ja, mach ruhig.“
Natürlich möchte ich jetzt nicht den Schisser spielen und gehe vorsichtig zu Candy. Puh. Wie er mich anguckt. Aber nicht beißen, ja?

Boah, hab ich Schiss. Er verfolgt echt jeden Zentimeter von mir.
„Na, Kumpel! Alles klar? Wie war dein Tag bislang so? Hehe.“

Alles klar.

Okay, okay. Reicht. Das ähm. Nein, ich gehe zu Jenny zurück. Da kann mir bestimmt nichts passieren. Wusch und weg. Bis dann, Candy, hehe.

„Wenn du möchtest, kannst du schon mal ein wenig Laub harken. Es ist so viel runtergekommen und meine Mutter scheint noch nicht zu gekommen zu sein.“
„Okidoki.“
Schon mal besser, als wenn mir gleich ein Pferd auf den Fuß kackt. Bäh.
Also hole ich einen Rechen und auf geht's.

Später ruft mich Jenny zu meinen kleinen Minidingens. Haha. Ist das da ein Gemähe. Einen Wecker braucht man morgens eigentlich auf keinen Fall.

Und wie man sieht, hat selbst sie manchmal so kleine Probleme mit den kleinen Tierchen. Ich muss lachen.

„Hey, das ist gar nicht witzig. Dir kann das genauso passieren.“
Und im Endeffekt haben sie sich dann trotzdem lieb.

„Siehst du, Jenny? Ich schaffe das auch, hehe. Ganz easy.“

Isabelle kommt mit dazu und zeigt mir, wie man die kleinen Scheißer schert. Fühlt sich ja erst total schwierig an, aber irgendwann habe ich es dann raus. Bald bin ich der Bauernhof-Meister.

Das Plüschiding hier heißt übrigens Barbie. Wer kommt auf so einen Namen?

Aber ich merke, wie doch langsam jeder Schritt immer schwieriger wird. Meine Arme und Beine werden immer schwerer. Und da ist es gerade mal Vormittag. Ich kann einfach nicht mehr. Schlafe gleich ein.

Ich möchte nur noch ins Bett.

Als ich meinen Kram aufräume, bemerke ich, dass Tessa hier ist. Mir egal. Ich möchte jetzt nicht quatschen.
„Warte mal.“

Ich drehe mich zwar zu ihr um, aber sage nichts.
„Dein Name ist Joel, richtig?“

„Du, sorry. Aber ich hab grad kein Bock zu quatschen, okay? Bin müde und möchte mich jetzt hinhauen. Bis dann.“

Das Einzige, wozu ich heute nämlich nur noch fähig bin, ist das hier:

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